Grundlage eines Rechtsstaates ist auch das Recht, Verstöße gegen Normen zu ahnden. Dieses Recht hat auch ein Sportverband, der eine autonome Einheit im großen Gefüge des Staates darstellt. Diese Autonomie garantiert ihm das Grundgesetz mit seiner Vereinigungsfreiheit aus Art. 9 GG. So ahndet der Sportverband auch Verstöße gegen das Dopingverbot. In der Leichtathletik sind davon bereits einige betroffen, vom Olympiasieger und Weltmeister bis zum Seniorensportler.
Grundlage eines Rechtsstaates ist es, alle Verstöße gleichermaßen, ohne Ansehen der Person zu ahnden. Dazu dient ein standardisiertes Ahndungssystem, das für individuelle Besonderheiten nur wenig Raum lässt. Vielmehr gibt der Internationale Leichtathletik-Verband (IAAF) sogar eine Standard-Ahndung von 2 Jahren Sperre vor. Grundlage eines Rechtsstaates ist es aber auch, geahndete Täter, nachdem sie ihre Strafe „abgesessen“ haben oder diese verbüßt ist, wieder aufzunehmen. Der Makel bleibt insoweit, als diese Sperre als „Vorstrafe“ im Hinterkopf bleibt für den Fall, dass es zu einem erneuten Verstoß kommt. Dann wirkt diese Vorahndung „strafschärfend“, im Falle eines Dopingverstoßes „lebenslänglich“. Ansonsten sind aber auch alle Täter nach Vollzug einer rechtskräftigen Ahndung gleich zu behandeln. Man nennt das „Recht auf Reintegration“ in die Gesellschaft, in den Sport übertragen: Reintegration in die Familie des Sportes.
Diesen Weg haben viele hinter sich, mit Ausnahme derjenigen, die mit dem Dopingverstoß ihre Karriere beendet haben oder gar aus dem Verein ausgetreten sind, um sich einer Ahndung zu entziehen. Aber – und das fällt auf: Nicht jeder „Vorgeahndete“ wird gleich behandelt. Der Makel der Vorahndung wird unterschiedlich gewichtet, je nach Standort. Eine ehemalige Weltmeisterin im Sprint wird anders angesehen als ein ehemaliger Olympiasieger. Erstere wird verteufelt, letzterer als Vorbild für junge Sportler in den Himmel gehoben. Gibt eine Doping-Ahndung das Recht, jemanden nach Vollzug der Sperre zu verteufeln? Gibt eine Doping-Ahndung Veranlassung, Vorbild für die Jugend zu sein und als solches durch die Lande zu reisen?
Diese Frage muss jeder selbst beantworten. Vielleicht liegt die Antwort irgendwo dazwischen. Nur zweierlei muss gewährleistet sein: Zum einen muss bei einer Vorbildfunktion immer auch der abgeurteilte und rechtskräftig festgestellte Doping-Verstoß berücksichtigt werden. Zum anderen haben alle „Täter“ ein Recht auf Reintegration, vor allem aber auf Gleichbehandlung. Ein Doping-Verstoß darf schließlich nicht nach Sympathie und Antipathie eingestuft werden. Auch die jüngsten Kommentare zu Doping-Verstößen bei Senioren zeichnen sich manchmal durch solche unterschiedlichen subjektiven Eingruppierungen der Doping-Geahndeten aus. Die Gefühle, die Einstellung zu der Person oder eine Bekanntschaft dürfen nicht die Messlatte dafür sein, ob jemand, der sich durch das Vorhandensein unerlaubter Substanzen im Körper die Möglichkeit einer unerlaubten Leistungssteigerung schafft und damit objektiv den Konkurrenten übervorteilt, verteufelt oder in den Himmel gehoben wird. Zum Grundgesetz gehört schließlich auch das Recht auf Gleichbehandlung des Art. 3 GG.
Dies zum Thema: „Läuferakademie – Dieter Baumann begeisterte“, eine Pressemitteilung des DLV vom 5.2.07. Dies zum Thema Berichterstattung zum jüngsten „Fall Böker“ in den einschlägigen Medien und Foren.
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