Tatbestand

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Die Berliner Zeitung fasst heute einen Beitrag von Andreas Singler zum Todestag der Mehrkämpferin Birgit Dressel vor 20 Jahren zusammen. Sie starb in der Mainzer Uniklinik am 10. April 1987 im Alter von 26 Jahren an einem „komplexen toxisch allergischen Schock“.
Hintergrund: Die Athletin war seit 1981 Patientin des Freiburger Sportmediziners Professor Dr. Armin Klümper, der heute seinen Lebensabend in Südafrika verbringt, und hatte zuletzt in 16 Monaten ca. 400 Spritzen erhalten. Sie erhielt das Anabolikum Stromba und nahm am Schluss die Höchstdosis von 6 Tabletten wöchentlich ein [Quelle]. Im Februar 1987 hatte ihr Klümper 15 verschiedene Arzneimittel gespritzt, u.a. tierische Zellpräparate die zu Dauerimmunreaktionen des Körpers führten.[Quelle] Dressel nahm 20 verschiedene Präparate von drei Ärzten ein [Quelle].
Helmut Meyer, der damalige Chef des DLV-Bundesausschusses für Leistungssport, versicherte eilfertig, „dass Birgit Dressels Tod mit Doping nichts zu tun“ gehabt habe. Das Gegenteil stand schon damals fest. BZ: „Auf kritische Selbstreflektion verzichteten die meisten führenden Vertreter des Spitzensports. Wer wie der mittlerweile verstorbene Dr. Eberhard Munzert als Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes ernsthaft gegen Doping vorgehen wollte, wurde weggemobbt.“ Wie meist mit dabei BILD: „Herr Munzert! Entschuldigen Sie sich bei Professor Klümper.“ Munzert trat 1988 zurück. BZ: „Vordergründig hatte man ihn im Verband wegen eines DLV-Etatlochs von 200.000 DM kritisiert. Die Heftigkeit der Angriffe gegen ihn – der Dressels Arzt Klümper selbst auf Intervention von NOK-Präsident Willi Daume nicht zurück ins Olympiateam holen wollte – war seiner „leistungssportfeindlichen“ Dopinggegnerschaft geschuldet. Munzert gehörte zu den wenigen Funktionären, die durch Birgit Dressels Tod aufgerüttelt worden waren.“
Die allgemeine Linie war eine andere „Die zeitlich limitierte Gabe von Anabolika zum Wiederaufbau atrophierter Muskulatur nach Immobilisierung oder langdauernden Verletzungen stellt eine therapeutische Maßnahme dar und erfüllt nicht den Tatbestand des Dopings“, erklärte die Deutsche Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention 1988.
Was damals sonst noch gesagt wurde, liest sich so:

„Die sportärztlich durchgeführte Therapie mit ihren vielfältigen und variantenreichen Maßnahmen wird angesichts der außergewöhnlichen Zahl und der unterschiedlichen Arten von Kombinationspräparaten und Fremdeiweißapplikationen als nicht mehr überschaubar und in ihren Wirkungen auf den Organismus (auch Kombinationswirkungen) nicht abschätzbar angesehen.“
Aus dem medizinischen Gutachten zum Todesfall Birgit Dressel

„Ich möchte hier nur nochmals betonen, dass es sich bei diesen Substanzen (Anabolika, d. Red.) nicht um verbotene Stoffe handelt, sondern die Einnahme unter sportethischen Gesichtspunkten diskutiert und kritisiert wird.“
Birgit Dressels Trainer Thomas Kohlbacher bei der polizeilichen Vernehmung

„Wenn meine ärztlichen Mitarbeiter oder ich Anabolika rezeptiert oder verabreicht haben, so geschah dies ausschließlich aus medizinischen Gründen.“
Birgit Dressels Arzt Armin Klümper bei der polizeilichen Vernehmung

„Ich sah die ganze Sache mehr als Versuch an, ob dadurch Leistungssteigerungen zu erzielen wären.“
Thomas Kohlbacher

„Sie glauben doch nicht im Ernst, dass ich mir von Funktionären oder von irgendwelchen Reglementen vorschreiben lasse, wie ich Medizin zu betreiben habe.“
Armin Klümper in einem Interview

„Außerdem kann wohl bei einer Anabolika-Applikation im Januar keine Dopingabsicht des behandelnden Arztes hinsichtlich der Wettkämpfe im August/September unterstellt werden.“
Armin Klümper in einer Eidesstattlichen Erklärung vom 26.10.1991 in Widerspruch zum Dopingreglement

„Man sollte Doping freigeben.“
Prof. August Kirsch, DLV-Ehrenpräsident und damals Chef des Bundesinstituts für Sportwissenschaft, 1988

„Unkraut vergeht nicht.“
Publikation Klümpers zu Heilkräutern

Andreas Singler ist Autor des Buches „Doping im Spitzensport“ (Meyer & Meyer Verlag, 2006).

Mehr in der Netzeitung

„Der Fall war ein einziges Mahnmal – und das müsste er heute noch sein“ , sagte Helmut Digel, der Vize-Präsident des Internationalen Leichtathletik-Verbandes (IAAF), am Wochenende gegenüber dpa. Ich möchte angesichts der ungebrochenen Dopingmentalität und mit Blick auf die Vaterstettener Erklärung daran erinnern.

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2 Antworten to “Tatbestand”

  1. Alfonso Cataldo Says:

    Die ganze gierige Pack hätte wegen Tötung anzegezeigt werden sollen, aber damals die Doping Mafia von der Kölner Sporthochschule hatte das sagen. Manie „die Spritze“ hatte mehrere Weltmeister geschaffen, und der Klümper ist direkt danach mach Südafrika abgehauen.
    Nur der Spiegel hat alle beteiligen mit Name und Vorname erwähnt aber trotzdem ist nicht passiert.
    Eine Schande für alle Sportler in Deutschland.
    Die mörder Pack werden sich alle in der Hölle treffen. Schande an euch.

  2. Klimmer, Hellmuth Says:

    Manie … w e r ?

    Dieser späte Kommentar zum 20. Jahrestag des Birgit-Dressel-Todes macht mich neugierig. Wer ist bloß „Manie ‚die Spritze'“?, der Verantwortliche für mehrere LA (?)-Weltmeister.
    Alfonso, wen meist du in Köln(?) Oder wars keiner von der Sporthochschule, vielleicht „nur“ ein Trainer?

    Bitte um Aufklärung.

    Hellmuth Klimmer

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