Es gibt guten Grund, sich über die WM-Organisatoren zu ärgern: Sie wissen als Leichtathletikfan, -experte und -aktiver natürlich, wer Ana Fidelia Quirot ist. Kurz vor der Masters-WM in Riccione wurde bekannt, dass die kubanische Leichtathletik-Ikone tatsächlich bei dieser WM über 800m starten werde. Sie hatte den um diesen Start werbenden Organisatoren zugesagt und seitens des LOC und der WMA erhielt sie das Sonderstartrecht, das man den Masters-Weltmeistern Elfriede Hodapp, Karl-Heinz Neumann oder Peter Lessing verweigerte. Sogar das WM-Wettkampfprogramm wurde angepasst: Die 800m-W40-Semifinalrennen entfielen und wurden durch Zeitendläufe ersetzt, weil die Grand Dame der cubanischen Leichtathletik nicht zwei Mal laufen sollte (oder wollte?). Aber gestern Abend war die Kubanerin Quirot trotz gegebener Zusage nicht am Start. Sollte die Gage nicht ausreichend gewesen sein, fragte ein Insider?
Wir wollen nicht spekulieren, aber die Folge dieses gescheiterten Deals war ein unfaires, wenig sportliches WM-Ergebnis:
Leidtragende war die Brasilianerin Maria Figueiredo (*1963), immerhin 1988 Olympiateilnehmerin ihres Landes. Weil ihr Verband für sie keine 800m-Zeit gemeldet hatte, musste sie in ihrem Zeitendlauf ohne ernsthafte Konkurrenz auf die Bahn und lief dann ein einsames Rennen gegen die Uhr; ohne Zeit gemeldete Athleten starten nämlich grundsätzlich im langsameren Lauf; die Läuferin nach ihr kam dann auch 12 Sekunden später ins Ziel. Natürlich hat der brasilianische Verband das Meldeversäumnis zu verantworten; es wäre aber bedeutungslos geblieben, hätte es die beiden ausgeschriebenen Semifinalläufe gegeben, die man dem verabredeten Gastauftritt der Kubanerin leichtfertig opferte. So kam es dann ganz anders: Im schnelleren, zweiten der beiden Semifinalrennen trafen nach dem Sololauf von Maria Figueiredo die beiden starken Europäerinnen Corinne Debaets (BEL) und Zofia Wieciorkowska (POL) aufeinander, die die vorgelegten 2:15,74min der Brasilianerin kannten. Sie lieferten sich ein packendes Duell, das die erfahrene Belgierin in 2:14,07min mit 127 Hundertstel vor der Polin gewann. Wäre Maria Figueiredo (BRA) mit den beiden zusammen gelaufen, hätte sie eine faire Chance gehabt, hätte es noch mehr Spannung für die begeisterten Zuschauer und hätte es schließlich eine wirkliche WM-Finalentscheidung gegeben.
1993 bei der WM in Myazaki (JAP) sah das noch ganz anders aus. Da wollte der große Kipchoge Keino (KEN) laufen. Seine, ihm vom kenianischen Verband bestätigte Meldung war aber in Japan nicht eingetroffen und die Organisatoren dort verweigerten ebenso höflich wie konsequent einen Start des Doppel-Olympiasiegers. Keino durfte nur bei der Eröffnungsfeier die Fahne tragen, anschließend reiste er enttäuscht wieder ab und trat, soweit bekannt, bis heute bei keiner WM mehr an.
Die Masters-Leichtathleten freuen sich, wenn sie gegen große Athleten bei den internationalen Meisterschaften antreten. Sie wollen aber keine Zirkusartisten, die mit Antrittsgeldern geködert werden, damit ein paar aufgeregte Medienvertreter ihre Bilder aufnehmen können und ihre Showmeldung absetzen können…
Dann lieber ohne!
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