Fernsehen, wann immer man will, ist die aktuelle Entwicklung: Podcast! Professionell hat der deutsche Leichtathletikverband diese Entwicklung aufgenommen und erstmals bei seiner Hallen-DM am vergangenen Wochenende in Sindelfingen umgesetzt. 35 Video-Aufzeichnungen geben jetzt dauerhaft (!) einen erstklassigen Überblick über diese Hallenmeisterschaften. Leider müssen wir bei der anstehenden Hallen-DM der Senioren in Erfurt auf Vergleichbares verzichten. Da wären wir alle schon froh, wenn es in diesen Zeiten zumindest eine offizielle Internetseite für Deutsche Seniorenmeisterschaften gäbe und nicht nur das hier…
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Podcast
28. Februar 2008Lieblos
12. November 2007Eigentlich ist das Laufmagazin LAUFZEIT eine lesenswerte Publikation. Am Wochenende habe ich mir jedenfalls neugierig die Novemberausgabe gekauft und mich dann aber schnell über einen geradezu lieblos geschriebenen Artikel über die Masters-WM in Riccione geärgert. Da wird nämlich die dreifache Goldmedaillengewinnerin Roswitha Schäffler (LCM Rheinfelden) mit dem Namen Schäftler bezeichnet und der starke Doppelweltmeister über 5000m und 10000m Johann Hopfner (LLC Marathon Regensburg) heißt gar Höpfner – wie in den 60er Jahren der Wirt vom Blauen Bock. Überhaupt, so meine ich, reicht es nicht, nur ein paar Presseinfos und Statistiken auszuwerten, wenn 900 deutsche Mastersathleten guten WM-Sport zeigen.
ohne 4 (WM 4)
28. September 2007400 m WM-Finale Altersklasse M 85 in Riccione/Misano Adriatico:
Der Australier Mike Johnston (*1921) führt klar, stürzt fünf Meter vor dem Ziel, will sich aufraffen, kommt aber nicht sofort ganz hoch – da springen zwei Sanitäter, einer im Kampfanzug, auf die Bahn und richten den Mann auf, wobei der sich heftig wehrt, sie weg stößt und dann über die Linie geht.
Damit war er – so auch das Zielfoto – Zweiter, musste aber den Regeln gemäß disqualifiziert werden, weil er „fremde Hilfe in Anspruch genommen“ hatte. Das gleiche wie dem unglücklichen Australier ist dem Italiener Dorando Pietri bei den Olympischen Spielen 1908 in London im Ziel des Marathons passiert. Aus eigener Kraft wäre Mike Johnston mindestens Dritter geworden, da der Vierte, übrigens Belgiens Masterslegende Emiel Pauwels (*1918), weit weg war.
Winfried Heckner (LG Hünxe), der mir das Geschehen berichtet, kommentiert: „Ob die zwei Sanis dies überlebt haben, weiß ich nicht. Ich frage mich aber wirklich, ob man bei 85jährigen, die gar keine Hilfe wollen, so konsequent sein muss und andererseits in der M 95 einen Mexikaner mit 4:26.13 über die Bahn schlurfen lässt, der dann übrigens auch noch die 1500 m gegangen ist…“
Bill Collins (USA) reagiert auf seine Weise. Er konnte selbst den 400m-Lauf der M85 nicht sehen, da er sich aufwärmen musste. Informiert über das Drama will er jetzt seine Silbermedaille, die er mit der 4 x 100-WM-Staffel der USA gewonnen hat, Mike Johnston – dem unglücklichen Aussi – überlassen.
Eine große Geste, wie ich finde.
(ps danke an Winfried Heckner für die Informationen)
ohne 3 (WM 3)
10. September 2007Es gibt guten Grund, sich über die WM-Organisatoren zu ärgern: Sie wissen als Leichtathletikfan, -experte und -aktiver natürlich, wer Ana Fidelia Quirot ist. Kurz vor der Masters-WM in Riccione wurde bekannt, dass die kubanische Leichtathletik-Ikone tatsächlich bei dieser WM über 800m starten werde. Sie hatte den um diesen Start werbenden Organisatoren zugesagt und seitens des LOC und der WMA erhielt sie das Sonderstartrecht, das man den Masters-Weltmeistern Elfriede Hodapp, Karl-Heinz Neumann oder Peter Lessing verweigerte. Sogar das WM-Wettkampfprogramm wurde angepasst: Die 800m-W40-Semifinalrennen entfielen und wurden durch Zeitendläufe ersetzt, weil die Grand Dame der cubanischen Leichtathletik nicht zwei Mal laufen sollte (oder wollte?). Aber gestern Abend war die Kubanerin Quirot trotz gegebener Zusage nicht am Start. Sollte die Gage nicht ausreichend gewesen sein, fragte ein Insider?
Wir wollen nicht spekulieren, aber die Folge dieses gescheiterten Deals war ein unfaires, wenig sportliches WM-Ergebnis:
Leidtragende war die Brasilianerin Maria Figueiredo (*1963), immerhin 1988 Olympiateilnehmerin ihres Landes. Weil ihr Verband für sie keine 800m-Zeit gemeldet hatte, musste sie in ihrem Zeitendlauf ohne ernsthafte Konkurrenz auf die Bahn und lief dann ein einsames Rennen gegen die Uhr; ohne Zeit gemeldete Athleten starten nämlich grundsätzlich im langsameren Lauf; die Läuferin nach ihr kam dann auch 12 Sekunden später ins Ziel. Natürlich hat der brasilianische Verband das Meldeversäumnis zu verantworten; es wäre aber bedeutungslos geblieben, hätte es die beiden ausgeschriebenen Semifinalläufe gegeben, die man dem verabredeten Gastauftritt der Kubanerin leichtfertig opferte. So kam es dann ganz anders: Im schnelleren, zweiten der beiden Semifinalrennen trafen nach dem Sololauf von Maria Figueiredo die beiden starken Europäerinnen Corinne Debaets (BEL) und Zofia Wieciorkowska (POL) aufeinander, die die vorgelegten 2:15,74min der Brasilianerin kannten. Sie lieferten sich ein packendes Duell, das die erfahrene Belgierin in 2:14,07min mit 127 Hundertstel vor der Polin gewann. Wäre Maria Figueiredo (BRA) mit den beiden zusammen gelaufen, hätte sie eine faire Chance gehabt, hätte es noch mehr Spannung für die begeisterten Zuschauer und hätte es schließlich eine wirkliche WM-Finalentscheidung gegeben.
1993 bei der WM in Myazaki (JAP) sah das noch ganz anders aus. Da wollte der große Kipchoge Keino (KEN) laufen. Seine, ihm vom kenianischen Verband bestätigte Meldung war aber in Japan nicht eingetroffen und die Organisatoren dort verweigerten ebenso höflich wie konsequent einen Start des Doppel-Olympiasiegers. Keino durfte nur bei der Eröffnungsfeier die Fahne tragen, anschließend reiste er enttäuscht wieder ab und trat, soweit bekannt, bis heute bei keiner WM mehr an.
Die Masters-Leichtathleten freuen sich, wenn sie gegen große Athleten bei den internationalen Meisterschaften antreten. Sie wollen aber keine Zirkusartisten, die mit Antrittsgeldern geködert werden, damit ein paar aufgeregte Medienvertreter ihre Bilder aufnehmen können und ihre Showmeldung absetzen können…
Dann lieber ohne!
ohne 2 (WM 2)
10. September 2007Die Sensibilität des Seins findet nirgendwo so große Genugtuung wie da, wo es in früheren Zeiten gar kein, heute zumeist kein Festnetztelefon gibt: Auf dem Klo. Die Toilette (v. franz. toile „Tuch“), auch Klo(sett) (von franz. Closet), 00 oder WC (engl. water closet) ist eine sanitäre Vorrichtung. Sie wird auch stilles Örtchen genannt. Vulgärbezeichnungen sind Scheißhaus, Schlotte (eigentl. Hohlraum in wasserlösl. Gestein) oder Donnerbalken, in Österreich und Bayern auch Häusl, früher übliche Begriffe waren Haymlichkeit oder haymlich gemach.
Der italienische Begriff für diese entlastende Einrichtung soll hier unerwähnt bleiben. Sie zeichnet sich jedenfalls dadurch aus, dass man bei der Benutzung nicht gestört werden möchte und gemeinhin auch nicht wird. Eine meist drückende Ausnahme gibt es dann, wenn die Tür des Häusl nicht abzuschließen ist, weil … ja weil der Schlüssel fehlt. Ob Italiener dies anders sehen und ihre bekannt-angenehmen kommunikativen Fähigkeiten auch in dieser, bisweilen doch bedrückend-entrückten Lage auszuleben bereit sind, wissen wir nicht. Aber wie anders ist es zu erklären, dass in den drei WM-Stadien von Riccione, Misano Adriatico und San Giovanni in Marignano bei jeder WC-Tür der Türschlüssel fehlt. Denn die daraus resultierende Spannung von Geist und Körper führt beim Nutzer wie der Nutzerin zu einem regelrechten „Auf-dem-Sprung-Sitzen“, das seinesgleichen sucht, beinhaltet es doch spannungssteigernde Momente des Warm-up ebenso zwanglos wie den Geist anregende deutsche Volksliedkunst. Wahrhaft eine sportliche Herausforderung!
ohne (WM 1)
7. September 2007Richard von Weizsaecker, kurz Riccie war ja einmal unser Bundespraesident. Trotzdem ist natuerlich die Annahme falsch, die Gastgeberin der XVII. Senioren-Leichtathletikweltmeisterschaften, das adriatinische Riccione, sei nach eben diesem bundesdeutschen Politiker benannt.
Die Internetseite Ricciones gibt keine endgueltige Aufklaerung. Der Name von Riccione, heisst es dort, stamme aus einem Papier der erzbischöflichen Kammer in Ravenna. Dort werde Arcioni erwaehnt, das heutige Riccione. Woher der Name aber letztlich stamme, sei nicht klar. Die fuer TUE-bewanderte Leichtathleten eindrucksvollste Vermutung führt ihn auf den byzantinischen Pflanzennamen „Arkeion“ zurück. „Arkeion“ wuchs am Strand von Riccione und heilte als Medikament Heiserkeit, Husten, Geschwür, Arthrose und angeblich auch Haarausfall.
Was wir aber heute wissen ist, wie man eigentlich Riccione ausspricht: ohne i naemlich. Es heisst tatsaechlich Ritsch-ohne. Betont wird dabei das O.
Denn sollte im Italienischen auf das i direkt ein weiterer Vokal folgen, bleibt es stumm – es wird selbst nicht gesprochen. Auch das h bleibt immer stumm, dadurch kann z. B. die beschriebene Wirkung von e oder i aufgehoben werden: d. h. Spaghetti wird /spaˈɡet-ti/ ausgesprochen. Spagetti (ohne h) würde wie /spaˈdʒet-ti/ ausgesprochen werden. Und das mag, pardon, das macht ja keiner.
🙂