Wenn es nach verschiedenen Verbandspräsidialen in Deutschlands Leichtathletik ginge, hätte die Spezie ‚Senior‘ eine Menge von Vorleistungen zu erbringen, um sich die Berechtigung seines Selbstversuchs als Aktiver zu erarbeiten. Sie soll nämlich als Multi-Individuum auftreten, als da wären: Trainer im Verein, Fahrer für den Nachwuchsbereich, Kampfrichter bei Lokal- und Regionalbewerben und auch im Vorstand der LA-Abteilung sähe man diese Spezie viel zu gern. Erst nach Erfüllung dieses Forderungskatalogs ist dem Senior per absolutio die Erlaubnis erteilt, selbst aktiv zu sein oder zu werden.
Am Rande erwähnen diese Verbandspräsidialen auch häufig und gern, dass die Spezie ‚Senior‘ die Verpflichtung habe, die Stadien zu füllen, wenn Leichtathletik auf dem Programm steht, damit z.B. die Gala, in der Rangordnung des Dachverbandes ganz, ganz weit oben angesiedelt, auch mal wieder die 1000-Besucher-Schwelle überschreitet. Die Spezie ‚Senior‘ verfügt eben über just die Finanzkraft, die man der förderungswürdigen und -nötigen Jugend nicht abverlangen kann. Das käme dann einem Durchlaufposten gleich, hier die verbandsseitige Förderung, dort der Rückfluss über die nicht geringen Eintrittsgelder (trotz Studentenausweis oder payback-Karte).
Braunschweig mit seinen DLV-Meisterschaften anno 2010 brachte nun ein weiteres Schmankerl für die Spezie ‚Senior‘. Neben der gewünschten Verpflichtung zu einem Meisterschaftsbesuch bekam der Senior an sich ein nicht unerhebliches und unüberhörbares (im wahrsten Sinne des Wortes) Plus: die seniorengerechte Beschallung in Wort und Musik. Die Musik war fetzig, hightech-gerecht, ultramodern und in einer Lautstärke, dass die Region um die Löwenstadt herum stets über alle Details informiert war. Als I-Tüpfelchen kamen dann die Sprecher. Alles wurde in einer Lautstärke serviert, die seniorengerecht war. Jeder Marktschreier-Bewerb hätte arge Probleme zu konkurrieren.
Das Fazit: Ab sofort braucht die Spezie ‚Senior‘ nicht mehr mit ihren Hörgeräten das Stadion zu betreten. Das wirkt sich energiesparend und umweltfreundlich aus. Die Beschallung ist jenseits des bisher Fassbaren und Hörbaren und erleichtert die Konzentration auf die Wettbewerbe, da eine Unterhaltung mit dem Nachbarn ohnehin nicht mehr möglich ist. Der Batterienverbrauch für die Hörgeräte sinkt dramatisch, da diese Geräte nicht mehr nötig sind.
Ein Weiteres hat diese für modern gehaltene Form der Unterhaltung: Dauerhaft sichern die Sprecher ihren Arbeitsplatz ab; nach Ausscheiden aus dem Berufsstand als Sprecher können sie nahtlos auf dem Fischmarkt in Hamburg oder auf dem Naschmarkt in Wien ihre Erfahrungen einbringen und finden einen rentenvorsorgenden Beruf.
Die DM Braunschweig 2010 wird in die Geschichte der deutschen LA-Events eingehen als die seniorengerechteste Meisterschaft (für die Zuschauer) und arbeitsplatzsichernd (für die Sprecher). Suum cuique, so wie dazumal Cicero schon sagte und heuer die Geschichte neu belebt…
Ralf Peters
(Foto: Hörgeräte, © pixelroiber, creative commons)