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Kurfürsten

22. Juli 2011

Noch mit dem Jetlag aus Sacramento in den Knochen finde ich wichtige Informationen in meinem E-Mailschließfach. Es  steht das nächste Highlight an oder der nächste Tiefpunkt.  Heute tagt der DLV-Verbandsrat in Kassel. Wie es so schön heißt „am Rande der deutschen Meisterschaften“.

Das Gremium hat dabei Aufgabe und  Gelegenheit, seine seltsame,  sportfeindliche Entscheidung vom Frühjahr zu korrigieren, mit der es die Altersklassen M/W 30 und 35 abschaffte und in der Realität so die 30-39jährigen Leichtathleten vom Wettkampfsport ausschloss. Mit diesem besonders undurchdachten Beitrag zum demografischen Wandel hatte der DLV-Verbandsrat seinerzeit nicht nur Kopfschütteln, sondern auch eine bis dahin nicht gekannte Unterschriftenaktion ins Leben gerufen: Die „internetten Sechs“ (lampis.netpromasters-lamasters-sportresults-model2010geherpokal und SeLA-Netz) kämpften schon  kurz nach Bekanntwerden der beschlossenen Abschaffung der Altersklassen („AK“) 30 und 35 beharrlich für die Beibehaltung der so wichtigen Altersgruppen der 30 bis 39-jährigen und starteten eine in der Geschichte des DLV einmalige Unterschriften-Aktion. Zusammen mit dem Fachmagazin ‚Senioren Leichtathletik‚, das von seiner aktuellen Ausgabe in diesen Tagen allen Landesverbandspräsidenten ein Freiexemplar zukommen ließ, wurde damit der Protest von rund 1500 aktiven Leichtathleten gegen das Hinausdrängen der U40-Generation aus der aktiven Leichtathletik dokumentiert. Dieser Protest richtet sich offen gegen ein Vorgehen, das sinnfrei der erfolgreichen deutschen  Mastersleichtathletik den „Nachwuchs“ wegnehmen will und wird – so es kommt.

Freunde! Der Spaß, der Ehrgeiz und die Freude, den die Mastersleichtathleten am aktiven Wettkampfsport haben, stören offenbar die Funktionäre um Schoeppe,  Girschikofsky & Co. Sie dulden allenfalls AOK-Hausfrauentrab und Trimm-dich-Aktionen. Das aber ist ebenso anmaßend wie dumm.

Was heute geschieht, ist dabei auch bemerkenswert undemokratisch. Denn da hat Bayernpräsident Schöppe in persona gleich 30 Stimmen, wenn er den Arm hebt. Sein westfälischer Kollege genauso viel und die Niedersächsin Rita Girschikofsky 14. Insgesamt 103 Contra-Stimmen reichen folgich  für das Ende der traditionellen Mastersleichtathletik (guckst Du hier den Beitrag von Blasius Hippel). Die Stimmen entfallen also nicht etwa auf die Landesverbände und eine mehrköpfige Delegation, die unterschiedlich votieren könnte. Allein der jeweilige Präsident eines Landesverbandes stimmt ab. Schöppe hält also sozusagen 30 Hände hoch.  Das ist abenteuerlich. Denn selbst wenn das höchste Gremium eines Landesverbandes beschlösse, die Altersklassen beizubehalten, könnte der Präsident mit allen Stimmen seines DLV-Landesverbandes gegenteilig abstimmen. Gleichzeitig hat der DLV-Präsident nur eine einzige, seine eigene  Stimme. Da stimmten ja die Kurfürsten und Kurbischöfe des Mittelalters demokratischer ab, weil jeder von ihnen bei der Wahl nur  eine Stimme hatte. Diese Strukturen und die  Neuordnung  der unübersichtlichen Schar von Landesverbänden sind der wirkliche Reformbedarf im zurzeit allenfalls noch drittligareifen DLV!

Bekannt geworden ist (erst) jetzt auch der aktuelle Antrag des Bundesfachausschusses (BFA) ‚Senioren‘  an den DLV-Verbandsrat. Dieser schlanke, bescheidene Antrag (lesen!) wird heute nicht angenommen werden.  Er wird wohl so entschieden werden, dass man sich auf die sogenannte  internationale Lösung verständigt. Abgeschafft bleibt die Altersklasse M/W 30. Die Submasters, aus der  sich die Leichtathletikseniorinnen und -senioren in der Vergangenheit rekrutiert haben, sind dann Geschichte. Bei mir war es die DM 1991 in Hagen (Westfalen), als ich über 800m Vierte wurde und meine beiden Ältesten tödlich beleidigt waren, dass „Mama keine Medaille“ bekam. Für mich war der Wettkampf ein tolles Gefühl, nach -zig Jahren und fünf Kindern „wieder da“ zu sein! Ich glaube nicht, dass ich fünf Jahre in der allgemeinen Wettkampfklasse hinterher gelaufen oder erst mal eine mehrjährige Warteschleife eingelegt hätte.  Der in Aussicht stehende M/W-35er-Beschluss den z.B. Nordrhein, Westfalen und Hessen heute  favorisieren, ist also in Wahrheit nur ein fauler Kompromiss. Er kneift mit der Altersklasse M/W 30 nämlich das ab, was nicht abgekniffen werden darf.

War folglich aller Protest vergebens? Heute denke ich da an den mutigen, aufrüttelnden Rücktritt des Aktivensprechers Wolfgang Ritte, an die vielen SeLa-Leserbriefe, Kommentare, Interviews und an die besonders beeindruckende Stadionansprache von Thomas Ritte bei der DM Senioren I in Ahlen vor ein paar Wochen. Alle hatten eines zum Ziel: M/W 30 und M/W 35 müssen bleiben. Der Verbandsrat des DLV wird sich dummerweise anders entscheiden und damit ein funktionierendes gutes System zerschlagen, um das uns ganz Leichtathletik-Europa beneidet.

Oder geschieht ja doch noch ein Innehalten? Denn die Hälfte ist natürlich nicht genug. Die Leichtathletik braucht das Ganze, Ihr Funkti0näre! Aber wenn ihr statt dessen  nur die AK  M/W35, also 50% zulasst und Euch oberflächlich-gönnerhaft auf Internationales beruft, dann doch bitte mit allen Konsequenzen: International gilt bei der AK-Zugehörigkeit die Geburtstagsregelung statt der DLV-Jahrgangsregelung sind und alle Wettbewerbe in allen Altersklassen. Und die internationalen Maße und Gewichte. Rosinenpicken ist da nicht. Nioch ist Gelegenheit, einen Fehler zu korrigieren. Heute in Kassel, am Rande der Meisterschaften.

(Foto: Titelbild Seniorenleichtathletik August 2011; Grafik re.: Druck des Kurfürstenkollegiums bei der Wahl Heinrichs VII. )

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Pinkelpapst

24. Februar 2010

„Er ist ein Mann für (fast) alle Fälle, wenn es um die Senioren-Leichtathletik (SL) geht. Es ist beileibe keine Übertreibung, ihn als einen der größten Mentoren dieser Bewegung zu bezeichnen. Nicht nur, aber auch in der Bundesrepublik. Als Präsident steht er der European Veterans Athletic Association (EVAA) vor, das gleiche Amt bekleidet er bei den European Masters Games (EMG). Wer sich in der Szene ein bisschen auskennt, weiß längst, dass von Dieter Massin aus Ahlen in Westfalen die Rede ist (Foto re. mit Bekannter). Lampis darf sich glücklich schätzen, in ihm einen Fürsprecher zu haben, der unsere Initiative nach Kräften unterstützt und dies manifestierte, in dem er sich ehrenhalber bei uns anmeldete. Klar, dass wir ihn in unsere VIP-Lounge aufgenommen haben. Nun ist der 69-jährige (Un-)Ruheständler ab morgen Vormittag einmal mehr in Sachen SL unterwegs. Der Ahlener fliegt über den großen Teich via Vancouver zu den 4. Senioren-Hallen-Weltmeisterschaften nach Kamloops (Kanada). Dort leitet er, wie schon bei der letztjährigen Stadion-WM im finnischen Lahti, die Anti-Dopingkommission, wacht darüber, dass bei den Kontrollen alles mit rechten Dingen zugeht. Ironisch bezeichnet er sich als „Pinkelpapst“, wobei die Urheberrechte für diese Umschreibung beim DLV-Vizepräsidenten und Anti-Doping-Beauftragten Theo Rous (Alpen/Niederrhein) liegen.
Sein sehnlichster Wunsch: Bei viel Arbeit möglichst keinen Ertrag, sprich: keine positiven Befunde. Anders als bei der WM in Lahti, bei der zwei Sünder erwischt wurden, ein Verfahren allerdings noch schwebt. Was uns besonders freut: Dieter Massin bot sich an, aus Kamloops den einen oder anderen Gastbeitrag für Lampis zu verfassen. Nicht allein deshalb: Wenn es ihn nicht gäbe, müsste er glatt erfunden werden. Ehrlich!“
(von Axel Hermanns auf lampis.net)