Posts Tagged ‘Vladimir Vybostok’

Verschwunden in Kamloops VII

5. März 2010

Heute stehen die Vorläufe über die Hürden an und für Udo Lippoldes der Weitsprung. Zunächst die Callroomzeiten checken, dafür steht eine große Tafel in der Eingangshalle. Gestern gab es welche, die es nicht gemacht haben und dann – einige Disziplinen waren eine Stunde vorverlegt – vom Aufwärmplatz in den Callroom kamen, als der Wettbewerb schon vorbei war. Das wird mir nicht passieren, denn bei den Hürden findet gleich der Endlauf statt, da nicht mehr als 8 Teilnehmer ihre Startkarte abgegeben haben.

Also krieg ich a bisserl was mit, was so nebenher passiert ist. Einen Sonderpreis müsste eigentlich Lüneburgs Carola Petersen ( W 50 ) bekommen für die eigentlich ballistisch unmögliche Leistung, einen Diskus über den grossen Käfig und den Zaun zu schmeißen direkt in einen kleinen See. Ob sie einen Fisch getroffen hat, werden wir nie erfahren.

Erste Staffelgespräche finden statt: bei den geringen Teilnehmerzahlen wird es nicht so einfach, vier für die 200 m zusammen  zu kriegen; aber das Problem haben alle – mit Ausnahme der Kanadier. So muss ein Halbmarathoni anschließend in der M 70 die 200 m laufen. Dann ist er wenigstens gut warm.

Um 14 00 beginnt der Weitsprung. Mit dem Presseausweis darf ich in den Innenraum,  setze mich ans Ende Weitsprunggrube und versuche, ein paar Bilder von Udo und unserem Bezwinger im 60m-Lauf Vlady Vybostok aus der Slowakei zu schießen.

Als Udo im zweiten Versuch 4,62 m springt -zwischenzeitlich Silber – entfleucht mir ein „Nicht schlecht, Herr Specht“ und das hat Folgen: Eine Kampfrichterin kommt auf mich zu und sagt mir, dass ich nicht zu den Athleten sprechen darf, geht dann zu einer anderen, der Oberkampfrichterin mit roter Binde um den Arm, die mir eine Verwarnung erteilt, d. h. wenn ich noch mal auf auf lettisch zu einem Chinesen sage, muss ich den Innenraum verlassen. Ein Lette, ein Kanadier sind vorn und Vlady springt mit 4,70 m Udo auf den 4. Platz. Das hat ebenfalls Folgen, denn der 3. dieses Wettbewerbs muss Pippi… Es werden nämlich die Wettbewerbe für die Dopingprobe ausgelost und dann wird gewürfelt, wer zur Dopingprobe muss. Beim M50-Weitsprung ist eine 3 gewuerfelt worden.

Das wäre ja kein Problem, aber Vlady muss um 17 00 seinen Greyhoundbus kriegen, um seinen Flieger nicht zu verpassen. Ich habe ihm zugesagt, ihn und seinen kleinen kanadisch-tschechischen Dolmetscher Marc zu fahren. Selbst in Schuld, wäre er 4, 61 gesprungen, wäre Udo dran und der hat Zeit. Problem ist aber jetzt. Vlady bekommt seine Rechte vorgelesen und er hat das Recht auf einen Dolmetscher. Ich renne raus und suche den kleinen Marc, finde ihn endlich. Die Belehrung erfolgt noch auf dem Platz und dann ziehen sie ab in die Katakomben zum Probenehmen, inzwischen ist es 14:45.

Und Vlady kommt und kommt nicht. Wo ist Behle?  kennt jeder seit Bruno Moravetz legendärer Reportage. Doch  wir fragen abgewandelt: Wo ist Vlady? Die Zeit schreitet fort und ich hole schon mal das Auto. In der Halle ist wenig los, es gibt keine Laufwettbewerbe an diesem Nachmittag. Wer schon mal dopinggeprobt hat, weiß: Manchmal gelingen die einfachsten Dinge des Lebens nicht ( insbesondere im Sommer ) 😉

Die freundlichen kanadischen Hilfskräfte klären für mich, ob Vlady  sich noch in den Karakomben befindet, schließlich muss er auch noch seine Koffer holen, aber bis 17 00 taucht er nicht mehr auf. Die Auflösung werde ich wohl erst bei der EM in Ungarn erhalten, wenn uns einer dolmetscht, denn Vlady spricht so gut englisch wie ich slowakisch.

(Foto: Diskusfisch; © Ulla Trampert, pixelio.de)

Werbung

Finale und Kamloops VI

3. März 2010

17: 15 ist heute das 60m-Finale, aber vorher muss mein Freund/Zimmergenosse/Gegner und Staffelkamerad Udo noch ran; er hat für die 200 m seine Karte abgegeben und muss jetzt zumindest 5 Meter laufen, dann steht in den Listen dnf ( did not finish ) und er darf weiter starten. Wer unentschuldigt fehlt, ( dns = did not start ) wird für den gesamten Wettbewerb ausgeschlossen und das wäre fatal für die deutsche Staffel.

Da Udo auf Bronzekurs ist, soll er locker laufen und ggf. aussteigen. Da der Favorit Vybostok ihn eingangs der 2. Kurve noch nicht eingeholt hat, laeuft er locker weiter, wird am Ende 9. und kommt nicht ins Finale.

Zurück ins Hotel, ruhen, etwas essen, relaxen und aufs Finale vorbereiten. Diesmal sind wir pünktlich dran.

Vor uns wie immer unsere Altersgenossinnen. Der Starter hat offensichtlich sadistische Züge und lässt die Mädels eine Ewigkeit sitzen, bis 2 zucken und es ein Stand-Up gibt. das wiederholt sich noch mal und dann klappt’s. Auch bei uns dauert es ewig, neben mir zuckt einer, ich dann auch , geh leicht hoch, bloß nicht nach vorn, dann wieder leicht runter, weil ich sonst zu hoch bin und im Prinzip nur aufstehen kann, in diesem Augenblick SCHUSS.

Mist, wieder ein schlechter Start, locker-locker-locker komm ich an den Weltrekordler neben mir langsam ran. Jetzt noch mal volle Lotte – und eventuell Faserriss wie bei der DM vor 16 Tagen – und auf den letzten 15 Metern die Entscheidung erzwingen? Ich ziehe an, komm noch näher und merke, dass mein Muskel zumacht, Druck raus und bloß nicht verletzen, Silber blinkt auch schön und da sind die 60 Meter auch schon zu Ende. Rein in die Gummiwand, noch das offizielle Foto und wieder ab in die Katakomben.

Wow, ich bin Vizeweltmeister, unter den Umständen sind 8,30 super, Vybostok hat 8,17. Ohne Verletzung usw. ist alles Quatsch, hätte, wenn und aber ist alles Dummgelaber, ich hab Silber, Udo holt nach einem Superstart Bronze, Sprinterherz, was willst du mehr ? Wann haben eigentlich unsere U-30 Sprinter bei einer WM mal Metall geholt ? Nach meiner Erinnerung noch nie, ganz zu Beginn der Weltmeisterschaften vor ca. 30 Jahren war wohl mal einer im Endlauf. Hoffentlich hab ich jetzt keinen vergessen.
Massage ist nicht drin, die Siegerehrung findet in einem anderen Gebaeude statt und das ist ein Stückerl entfernt. Zusammen mit Vlady ( Vybostok ), der einen jungen kanadischen Volunteer bei sich, der tschechisch und englisch spricht, machen wir uns auf den Weg und müssen dort reichlich warten. Urkunden gibt es keine und die Medaillen werden überreicht von einem Kanadier in einer Uniform, die so eine Mischung aus englischem Bobby und Parkwaechter ist. Die slowakische Nationalhymne gibt den Fotografen reichlich Gelegenheit zum Knipsen ( wer mal reinhören will, bitte Zeit mitbringen )

Kurz ins „DEUTSCHE HAUS'“, wie wir den DLV-Athletentreff im benachbarten Biergarten umbenannt haben. 1 Bier – das wars. Wir sind beide happy, aber noch mehr müde, jetzt fällt die Spannung ab und wir wollen nur noch nach Hause, duschen, was essen und ins Bett. Richtig realisieren werden wir das alles wohl erst später. Oder morgen.

Morgen ist frei.

Winfried Heckner

(Foto: Marco Kof, pixelio.de)

50 Stunden und Kamloops V

2. März 2010

Hier ist alles ein bisschen anders, nicht nur wegen des Zeitunterschiedes, manches ist sehr locker und deshalb gut, manches wiederum nicht. Vorab: Im Wettkampf kriegt man so gut wie nichts mit von den anderen Disziplinen; es ist alles sehr auseinander gezogen. Im Zweifel hat man von Deutschland aus übers Internet den besseren Überblick. Eben hab ich auf die Homepage geschaut, aber keine RESULTS gefunden – vielleicht bin ich ja auch nur zu blöd

Der Reihe nach: Wenn man erst um 16: 20 laufen muss, kann man in Ruhe frühstücken, sich wieder hinlegen, weil die innere Uhr weiterhin um 3: 00 Ortszeit sagt: 12: 00 in Deutschland, AUFSTEHEN und dann so gegen Mittag ein bisserl Studentenfutter knabbern und sich auf den Weg zur Halle begeben. In welchem Lauf man ist usw., ist allerdings nicht rauszukriegen, Eine Stunde vorher im Callroom wird es bekannt gegeben. Drei  Callroomzeiten gibt es für uns,  also sollte man höchst vorsorglich zur ersten fertig sein.

Warmmachen geht super, denn draußen sind 15 Grad Celsius und strahlender Sonnenschein, der Callroom ist nur vom Warming-Up-Platz zugänglich, was ja gar nicht so schlecht ist. Auch dort hängen keine Listen, aber beim Aufruf erfährt man wenigstens, in welchem Lauf man ist und auf welcher Bahn.

Der Zeitplan hängt und wir verbliebenen 12 sitzen in den Katakomben und warten. 18 waren gemeldet, davon einer offensichtlich doppelt auf der Liste und der frisch operierte Dieter Tisch ist ja nicht angereist, also 16 hätten es sein können, heißt im Klartext zwei Läufe.

Wie die Weiterkommensregel ist , weiß man natürlich auch nicht, denn es hängen ja keine Listen aus. Auf Befragen erklärt mir der Callroom-Kampfrichter, „3 best and 3 fastest“.  Ich hab lieber noch mal nachgefragt, kamen doch auf einmal bei der DM die 8 Zeitschnellsten weiter. Los geht es immer noch nicht, aber wir sind im Innenraum und dürfen uns auf der Gegengeraden warm halten. Nun teilt man uns mit, dass erst noch ein 800m-Lauf im Fünfkampf der Frauen kommt und dann sind wir dran. Naja, locker bleiben, unter die ersten drei müsste ja gehen, bin doch an  Nummer 3 gerankt und Nummer 2 ist nicht da.

Meine beiden beinlichen Baustellen haben sich beim Warmmachen nicht bemerkbar gemacht, gleichwohl Sicherheit zuerst. Ich geh deshalb nicht mit vollem Druck aus dem Startblock, bin aber nach 20 Metern vorn und tue , was ich nicht sollte: ich schau mich bei 40 Metern nach beiden Seiten um und nehme einen Gang raus und gewinne locker, wow, nur welche Zeit ? Jemand hat 8,10 verstanden, jemand 8,14, wieder jemand 8,40. Die Zeituhr laueft nicht mit und eine grosse Anzeigetafel gibt es auch nicht.

Egal, die Beine haben gehalten und als Sieger bin ich weiter! Übrigens werden auch die Läufer nicht – wie bei jedem Kirmessportfest üblich – vorgestellt. 8, 40 halt ich für realistisch, denn ich hab ja ganz schön zurück geschaltet. Wie wir später erfahren, hängen die Ergebnisse im Registration Office und das ist ein Stück entfernt.

Egal, Udo Lippoldes ist im anderen Lauf Zweiter geworden und Drittschnellster, Thomas Partzsch hat nach schlechtem Start das Finale als 9. knapp verpasst.

In den Katakomben treffen wir beim Auslaufen unsere Sprinthoffnung in der W 45 Angelika Grissmer; sie hat auch ihren Lauf gewonnen und das wichtigste: ihr Koffer mit Spikes, Trikot etc. ist sogar rechtzeitig eingetroffen – alte Flughasen und -umsteiger sagen: Trikot und Spikes immer ins Handgepäck.

Bevor wir die Halle verlassen – morgen wartet der Weltrekordler Vladimir Vybostok auf uns – kriegen wir noch ein paar Neuigkeiten von anderen Teilnehmern mit. Weitspringer Wolfgang Tuchen – M 70 – war insgesamt 50 Stunden unterwegs, eine andere Gruppe muste von Calgary aus den Greyhound Bus nehmen, der für die Strecke 10 Stunden benötigt.

Duschen, essen, heia, morgen ist Finale: Udo wird vorher noch die 200 m laufen. Ich verzichte, weil die Belastung für den jetzt 15 Tage alten Faserriss zu lange sein könnte, denn so 27 Sekunden brauche ich ungefähr, und ich werde etwas frischer sein, wenn ich die 200 m nicht in den Beinen habe, auch wenn 5 Stunden dazwischen sind.

Morgen werden die Karten neu gemischt und dann gibt’s eine Portion Extra-Adrenalin.

Winfried

(Start; Foto © Michael Berger, pixelio.de)